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Feb. 07, 2023

Michael Meinert

Durchs wilde Kreta - Wandern mit Angela

 Für viele ist es eine tolle Urlaubsbeschäftigung, für Angela Sturmayr auch ein Beruf: Wandern auf Kreta. Die Österreicherin lebt seit mehr als 35 Jahren auf der Insel, seit 16 Jahren in Mirtos an der Südostküste. Sie ist zertifizierte Wanderführerin - mit einer Ausbildung beim Bergwanderführerverband Steiermark.
Angela gehört zu den Leuten, die auch die weltberühmte Samaria-Schlucht im Westen Kretas wie ihre Westentasche kennen. Acht Jahre lang, erzählt sie, ist sie fast jede Woche einmal mit Wandergruppen hindurchgelaufen. Inzwischen bietet sie in der Regel Touren im Osten an, einer Gegend geprägt von wilder, einzigartiger Natur, von der Spannung zwischen Bergen und Meer. Es sind Wanderungen auf Wegen, die man ohne Begleitung nicht so einfach findet.

Faszinierende Natur

Was macht die Faszination dieser Gegend aus? „Es ist die oft noch relativ unberührte Natur in den kretischen Bergen, dazu der Duft der Wildkräuter und im Frühjahr die Explosion von Blüten überall, wohin man sieht.“ Am liebsten wandert sie auf den sogenannten Kalderimis, den mit Stein gepflasterten Maultierpfaden, die in alten Zeiten die wichtigsten Verbindungswege waren.
Angela Sturmayr, Mutter von drei Kindern, bietet sowohl Tagestouren an (höchstens acht Personen) als auch mehrtägige Wanderreisen (vier bis 12 Personen). Außerdem „Slow-Reisen“ mit nur kurzen Wanderungen, dafür aber Begegnungen mit interessanten Menschen, mit Besichtigungen und mit vielen Informationen über das Kreta abseits des Tourismus. Da geht es um Käseherstellung, die Produktion von Olivenöl, um Kräuter, Früchte, altes Saatgut. Oft ist auch die griechische Küche ein wichtiges Thema - inklusive Kochkurs, bei dem Gyros und Souvlaki nicht die Hauptrolle spielen.

Touren rund um Mirtos

Dass der kleine Ort Mirtos heute Ausgangspunkt für eine ganze Reihe von Wandertouren auf markierten Wegen ist, liegt nicht zuletzt an Angela Sturmayr. 2012 startete sie mit Unterstützern das Projekt „Mirtos Hiking Village“. Verschiedene Routen wurden ausgesucht, mit farbigen Punkten oder Dreiecken markiert, Wegweiser aufgestellt. Einmal im Jahr kontrolliert Angela die Wege, erneuert Markierungen, sieht nach dem Rechten. Und vor sieben Jahren erschien eine Wanderbroschüre „Discover Mirtos on Foot“, die mittlerweile in verschiedenen Sprachen zu haben ist. Er ist Teil einer Reihe ähnlicher Publikationen von Berend Wolffenbuttel und Toine van der Meijden, die Tipps zu Wanderungen in ganz Kreta geben (www.discoveronfoot.com).
Angela, die heute mit einem Holländer verheiratet ist, spricht neben Deutsch fließend Griechisch, Englisch natürlich, und sogar Holländisch. Beste Voraussetzungen also, um internationalen Wandergruppen die Schönheiten Kretas zu zeigen.     
www. mirtoshikingvillage.com                                                                                                                          

Angela Sturmayr kennt auch die abgelegenen Pfade.  Bei  manchen Touren ist sogar ein kleiner Kochkurs inklusive. Rund um Mirtos sind die Wanderwege gut markiert.                                                        Fotos: Sturmayr/Heymann


Through wild Crete - Hiking with Angela

For many people it´s a great vacation activity, for Angela Sturmayr it is also a profession: hiking on Crete. Born in Austria, she has lived on the island for more than 35 years, for 16 years in Mirtos on the southeast coast. She is a certified hiking guide. Angela is one of those people who also know the world-famous Samaria Gorge in western Crete like the back of her hand. For eight years, she says, she walked through it almost every week with hiking groups. Meanwhile, she usually offers tours in the east of Crete, an area characterized by wild, unique nature, by the tension between mountains and sea.

 

Fascinating Nature

 

What makes this area so fascinating? "It is the relatively untouched nature in the Cretan mountains, the scent of wild herbs and in spring the explosion of flowers everywhere you look." She prefers to hike on the so-called Kalderimis, the stone-paved mule paths, which were the most important connecting routes in old times. Angela Sturmayr, mother of three children, offers day tours (maximum eight people) and multi-day hiking tours (four to 12 people). In addition, "slow travel" with only short hikes, but encounters with interesting people, sightseeing, information about Crete away from tourism. That´s about cheese production, the production of olive oil, herbs, fruits, old seeds. Often Greek cuisine is also an important topic - including cooking classes, in which gyros and souvlaki do not play the main role.

 

Walking Tours around Mirtos

 

The fact that the small village of Mirtos is now the starting point for a lot of hiking tours on marked trails is not least due to Angela Sturmayr. In 2012 she started the project "Mirtos Hiking Village" with supporters. Various routes were selected, marked with colored dots or triangles, signposts were set up. Every year, Angela checks the paths, renews markings, checks if everything is okay. And seven years ago, a hiking guide "Discover Mirtos on Foot" was published, which is now available in various languages. It is part of a series of similar publications by Berend Wolffenbuttel and Toine van der Meijden, who give tips on hiking throughout Crete (www.discoveronfoot.com).  Angela, who is now married to a Dutchman, speaks fluently German, English, Greek and Dutch. Best conditions to show international hiking groups the beauties of Crete.

 

www.walkingdimension.com

www.mirtoshikingvillage.com


von Michael Meinert 24 März, 2024
Sie ist anders als die andern - geheimnisvoll, vielversprechend, von üppiger Schönheit, mit vielen Facetten, hell und strahlend hier, dunkel und unergründlich dort: die Richtis-Schlucht, im Nordosten Kretas zwischen Kovousi und Sitia gelegen. Vom Örtchen Exo Mouliana aus schlängelt sie sich auf einer Länge von etwas über fünf Kilometern hinunter bis ans Meer. Fünf Kilometer aber, die es in sich haben. Startpunkt ist ein Parkplatz ein paar hundert Meter östlich von Exo Moulina an der Hauptstraße. Die Richtis-Schlucht ist bekannt für ihre üppige Vegetation: Bäume aller Art, die auf der Suche nach Licht ihre Äste in teils grotesken Windungen nach oben strecken, Oleander von ungewohnter Höhe, Pflanzen, die man als Zimmerpflanzen kennt, in riesigen Dimensionen, vereinzelte Palmen mitten in einem Laubwald, am Ende Oregano in Hülle und Fülle. Über Stock und Stein Der Weg windet sich an einem Bach entlang, mal auf der einen, mal auf der anderen Seite. Teils gibt es Holzbohlen, teils nur ein paar Trittsteine, über die man balancieren muss. In der Saison kostet die Schlucht Eintritt (derzeit drei Euro), aber die Einnahmen werden gut angelegt: Der Pfad ist sehr gut markiert, an schwierigen Stellen gibt es richtige Holzbrücken und Treppen. Besonders interessant ist die Treppenkonstruktion, die in der Mitte der Schlucht zu einem kleinen Rastplatz an einem sehr beeindruckenden Wasserfall hinabführt. Lara lässt grüßen Die Schlucht erinnert stellenweise an eine Klamm in Deutschland oder Österreich, wenig später aber an einen tropischen Dschungel, eine Tomb-Raider-Szenerie. Wobei Lara Croft die Felsbrocken, über die der Weg mitunter führt, sicherlich viel eleganter überwunden hätte als unsereins. Unterwegs sind noch die Reste einiger früherer Mühlen und alter Gebäude zu finden. Der Bach sammelt sich manchmal in kleinen Tümpeln, überdacht von dichtem Blattwerk. Die mystische, geheimnisvolle Atmosphäre dieser Märchenwelt zieht die Besucher in ihren Bann. Und gerade im Sommer ist die schattige und wasserreiche Richtis-Schlucht eine sehenswerte Alternative zu den sonnendurchglühten Felsschluchten, für die Kreta so berühmt ist.
von Michael Meinert 18 März, 2024
Einsame Strände, bizarre Felswände - Kretas Südküste ist ein Geheimtipp
von Michael Meinert 06 März, 2024
Organisierte Bustouren – eigentlich nicht so unser Ding. Tauscht man doch Selbstständigkeit gegen Bequemlichkeit ein. Oder, wie unser Freund Martin sagte: Man ist da so eingesperrt. Andererseits: Man kann unterwegs aus dem Fenster gucken und die Landschaft genießen, man kann zum Essen oder später ohne schlechtes Gewissen ein Gläschen trinken. Und man kann auf der Rückfahrt dösen. Theoretisch jedenfalls. Vor allem: Man muss sich nirgendwo um einen Parkplatz kümmern. Wenn das Reiseziel dann noch Heraklion ist und am Ziel zunächst Haie und später gar Dinosaurier warten, man sogar gefahrlos ein Erdbeben erleben kann, dann sollte man nicht zögern. Also finden wir uns morgens um 8 in Mirtos an der Bushaltestelle ein. Die Leute, die hier im Ort die öffentliche Bibliothek betreiben, haben die Tour organisiert. Auf dem Programm: Besuche im größten Aquarium Griechenlands und im Naturhistorischen Museum. Ein spannendes Programm. An die 40 Leute, fast ausschließlich Einheimische, fahren mit. Die Kreter sind gesellige Leute, und so ist die Stimmung im Bus bestens. Bald schaltet der Fahrer das Radio ein, und die Stimmung wird noch besser. 1,8 Millionen Liter Wasser Im „CretAquarium“, das 15 Kilometer vor Heraklion in Gournes liegt, ist es hingegen still. In mehr als 60 Wasserbecken mit insgesamt 1,8 Millionen Litern Salzwasser tummeln sich über 2000 Meeresbewohner aller Art. Eindrucksvolle Begegnungen mit Haien und Muränen, mit Stachelrochen und mit den schönen aber giftigen Feuerfischen, die durch den Suezkanal ins Mittelmeer eindringen. Rendezvous mit Korallen, Seesternen, Quallen und Seepferdchen, mit Fischen aller Größen, Formen, Mustern und Farben, mit allem, was sich im Mittelmeer so tummelt. Und jede Menge Infos, etwa zur Verschmutzung des Meeres. Dass eine Plastikflasche oder eine Wegwerfwindel nach 450 Jahren teilweise immer noch da sind, ist nicht gerade erfreulich. Schnell unter den Tisch Eine der Attraktionen im Naturhistorischen Museum von Kreta, unserer zweiten Station, ist das Erdbebenzimmer. Ein Klassenraum mit Stühlen und Tischen. Wir nehmen Platz, wer Rückenprobleme hat muss draußen bleiben, und dann erleben wir, was bei einem Erdbeben los ist. Erst ein leichtes Beben, dann immer stärker. Die Lampe an der Decke wackelt, die Landkarte an der Wand schwingt hin und her, und uns schüttelt es fast von den Stühlen. Tipps gibt es auch: Weg von Glasscheiben und Balkonen zum Beispiel, am besten unter einen Tisch legen und sich an ihm festhalten. Ehrlich: In der Realität möchte ich so etwas nicht erleben. Danach ist es richtig entspannend, durch das weitläufige Museum zu schlendern, sich Kretas Tiere (in ausgestopfter Form) und Lebensräume anzusehen, über physikalische Phänomene oder optische Täuschungen zu staunen. Ach ja, die Dinosaurier. Von denen sind etliche in Lebensgröße zu bewundern, und manche bewegen sich sogar. Beeindruckend. Man kann froh sein, dass sie keine Zeitgenossen sind und uns zertrampeln oder mit einem Happs verzehren könnten. Nach einem Bummel durch Heraklion und einem Besuch in der Taverne, die dort schon unsere Stammkneipe ist, geht es mit dem Bus zurück nach Mirtos. Die Stimmung an Bord ist gelöst und steigt mit jedem Kilometer. Wir wissen ja: Die Kreter sind gesellige Leute.
von Michael Meinert 29 Feb., 2024
Agios Nikolaos, das Städtchen im Osten Kretas, hat das große Los gezogen: Seine Lage am weiten Golf von Mirabello ist phantastisch. Wohin man auch blickt – eine großartige Aussicht. Auf kleine Inseln, auf das tiefblaue Meer, auf die imposanten Berge auf der anderen Seite der Bucht, oder von oben auf den geheimnisvollen See, der durch einen kleinen Kanal mit dem Meer verbunden ist. Kein Wunder, dass Agios, wie es alle hier nennen, im Sommer von Touristen wimmelt. Jetzt, im beginnenden Frühling, ist es einfach nur schön. Benannt ist es nach St. Nikolaus, der auf Kreta sehr beliebt ist. Er hat hier Zeit, sich um das Städtchen zu kümmern, denn das aufreibende Weihnachtsgeschäft hat in Griechenland ein Kollege übernommen: St. Vassilios, der Schutzheilige der Seefahrt. Besuch bei Zeus und Europa Agios liegt auf einer hügeligen Halbinsel. Es macht Spaß, durch die Einkaufsstraßen zu schlendern oder ewig weit am Meer entlang zu flanieren. Vom Yachthafen bis hoch zum Stadtstrand Ammoudi mit seinem meist stillen, klaren Wasser. Unterwegs wartet die Skulptur von Zeus in Stiergestalt, mit der schönen Europa auf dem Rücken – sehenswert. Ebenso der See, der an einer Seite von einer steilen Felswand begrenzt ist, und um den sich viele Geschichten ranken. Unergründlich tief soll er sein, sagen die einen, „nur“ etwas mehr als 60 Meter, die anderen. So manches ist angeblich schon in ihm verschwunden, allerlei Kriegsgerät zum Beispiel, und er habe gar eine Verbindung mit der weit entfernten Insel Santorin, heißt es. Wie auch immer, es ist ein romantischer Ort, und man sollte sich die Zeit nehmen, in einem der Cafes oben auf der Felswand den Anblick zu genießen. Schätze aus den Palästen Lohnend ist auch das Archäologische Museum von Agios, eine modern und sorgsam präsentierte Sammlung von zahlreichen Fundstücken aus dem Osten Kretas, vom minoischen Palast von Malia bis zu dem von Kato Zakros, von Mochlos bis Gournia, sogar von der kleinen Insel Chrissi. Geöffnet ist das Museum in der Konstantinou-Paleologou-Straße zurzeit leider nur an Samstagen und Sonntagen jeweils von 9 bis 15 Uhr.
von Michael Meinert 16 Feb., 2024
Archaische Gesetze und zehn heilige Männer 
von Michael Meinert 07 Feb., 2024
Man kann nicht allen Katzen helfen. Aber vielleicht wenigstens mal einer, so als Anfang? - Den kleinen Straßenkater hatten wir vor einem Jahr kennengelernt, als wir zum ersten Mal den Winter in Mirtos verbrachten. Er war ständig in der Nähe unseres damaligen Quartiers, und er wurde immer anhänglicher. Vor ein paar Wochen, als wir wiederkamen, trafen wir ihn dort wieder. Anfangs schien alles ok, aber dann wurde er immer dünner, schniefte und würgte vor sich hin. Ab in die Kiste „Das kann man doch nicht mit ansehen“, fand auch unsere Freundin Marianna, als sie zu Besuch nach Mirtos kam. Und Marianna, muss man wissen, ist eine passionierte Tierfreundin, die schon so einige Hunde und Katzen unter ihre Fittiche genommen hat. Sogleich schrieb sie der Tierärztin, mit der sie schon auf Du und Du ist, eine Nachricht. „Morgen könnt ihr zu ihr fahren.“ Wir, die Neulinge im Katzenretten, waren etwas ratlos. "Besorgt euch eine Katzenbox, notfalls eine Kiste, setzt ihn rein und los geht’s", meinte sie. Und so begann eine internationale Kooperation. Nach Mariannas Ermunterung (sie ist ursprünglich aus Ungarn) trafen wir in der Taverne Freunde aus der Schweiz, die kannten einen Katzenboxbesitzer aus Holland, und der lieh uns sogleich den Käfig aus. Wir gabelten das Katerchen auf der Straße auf, brachten ihn mit gutem Zureden und etwas Futter in die Box, verfrachteten diese ins Auto und fuhren die paar Kilometer zur Ärztin. Die diagnostizierte eine schmerzhafte Gaumenentzündung, die dem Kater die Lust am Futter ziemlich verleidet hatte, und gab ihm eine Spritze. Dem Katerchen, das die ganze Prozedur klaglos erduldet hat, geht es von Tag zu Tag besser. Er freut sich auf sein Futter, das wir ihm täglich bringen, und er ist wieder richtig lebendig. Und anhänglich. Nach einer zweiten Spritze eine Woche später wurde es noch besser. Wenn er uns sieht, kommt er angesprungen, freut sich sichtlich. Lust auf Abenteuer Und er wird richtig unternehmungslustig. Früher traute er sich nicht aus seinem kleinen Revier heraus, kehrte sofort um, wenn er eine fremde Katze sah. Jetzt begleitet er uns öfter ein ganzes Stück, die Tage sogar bis runter ans Meer, das er vorher offenbar noch nie gesehen hatte. Dort am Strand ist katzenmäßig richtig was los, – aber die Begegnung mit den dortigen „Gangs“ war völlig friedlich und problemlos. Das Katerchen hatte ja auch seine zweibeinigen Beschützer dabei. Uns. Es ist kein großes Ding, einer einzelnen Katze ein bisschen zu helfen. Auch wenn es nur etwas Futter ist, ein, zwei Spritzen – und ein wenig Unterstützung, selbstbewusster zu werden und sich in der eigenen Umgebung wohler zu fühlen. Ετσι ειναι η ζωη – so ist das Leben.
von Michael Meinert 20 Jan., 2024
Heraklion hat einiges zu bieten. Es ist sicher nicht die schönste Stadt Kretas, aber es hat ja auch viel mitgemacht in seiner langen Geschichte. Angefangen hat alles mit dem großen Knossos, der minoischen Metropole, die nahe der heutigen Hauptstadt vor fast 4000 Jahren einen ihrer kleineren Häfen betrieb. Dann kamen die Griechen vom Festland, die Araber, die Byzantiner, die Venetianer, die Türken, vor rund 80 Jahren dann auch noch die Deutschen, die die Stadt bombardierten und viel zerstörten. Der Wiederaufbau nach dem Krieg verlief eher planlos, Ästhetik spielte keine Rolle - und das sieht man der Stadt an. Nicht so im Zentrum, rund um den berühmten Löwen- oder Morosini-Brunnen aus dem Jahr 1628. Hier, in einem weitläufigen Fußgängerbereich, schlägt das Herz Heraklions, hier zieht es uns immer wieder hin. Wir sehen uns die hübschen und meist gut besuchten Tavernen, Cafés und Restaurants an, schlendern durch die Basarstraße Odos 1866, bestaunen die venezianische Loggia oder die Titoskirche, betrachten die Schaufenster der zahlreichen Geschäfte auf dem Weg zum Eleftheriasplatz, gehen die Straße des 25. August hinunter zum Meer, zum alten Fort, zum Venezianischen Hafen. 21 Jahre Belagerung Den Venezianern, die von 1206 bis 1669 Kreta beherrschten, verdanken wir einen Spaziergang der besonderen Art. Der Venezianische Befestigungswall mit seinen zahlreichen Bastionen umgibt den Kern Heraklions auf einer Länge von mehr als fünf Kilometern. Er ist wuchtig, er ist breit, er hat der türkischen Belagerung 21 Jahre lang standgehalten, bevor die Osmanen dann in eben jenem Jahr 1669 Heraklion doch noch eroberten und fast 250 Jahre lang auf Kreta blieben. Zum Leidwesen der Kreter. Heute kann man auf diesem kolossalen und gut erhaltenen Bauwerk entlang spazieren. Eigentlich. Denn zurzeit wird der Weg neu gestaltet, vieles ist schon fertig, vieles noch nicht so ganz. Und so sind nicht wenige seiner Auf- und Abgänge gesperrt. So läuft man schon mal ein paar hundert Meter in eine Richtung in der Hoffnung auf eine Treppe, die einen wieder nach unten und in die Gegenwart führt, aber am Ende versperren hässliche Blechplatten den Weg. Ärgerlich – zumal es keinen Hinweis auf die Sackgasse gibt. Eine Bastion für Nikos Kazantzakis Auch am Grab des berühmten Autors Nikos Kazantzakis (Alexis Sorbas) hoch oben auf der Martinengo Bastion wird gearbeitet. Man hat Gras und Palmen geschnitten, das Zeug liegt meterhoch rum, die beiden Arbeiter haben es sich auf den Steinquadern des schlichten Grabes gemütlich gemacht, um einer ausgedehnten Pause zu frönen. Den Autor hätte es vielleicht nicht gestört. Sein berühmter Spruch „Ich erhoffe nichts, ich fürchte nichts, ich bin frei“ ziert den Grabstein. Begegnungen mit der Geschichte Was wäre Heraklion, die Stadt des Herakles, ohne seine Museen? Das berühmteste ist natürlich das Archäologische Museum, diesmal haben wir uns das ebenfalls sehr empfehlenswerte Historische Museum ausgesucht. Das Naturhistorische Museum steht beim nächsten Besuch auf unserer Liste, und wirklich fasziniert bin ich auch vom Museum der Altgriechischen Technologie (Blogbeitrag vom 30.01.2023). Das größte Museum aber ist der Minoische Palast von Knossos außerhalb von Heraklion (Blogbeitrag 24.01.2023). Der richtige Dreh Heraklion ist in jeder Beziehung quirlig. Das gilt auch für den Straßenverkehr. Daher sind wir jetzt auf den Bus gekommen. Gar nicht so schwer. Gerade mal 1,20 Euro kostet das Ticket in der City. Man zieht es am Automaten, oder kauft es im Kiosk oder Mini-Market. Die Entwertung ist denkbar einfach. Man hält es dem Fahrer hin, hält es fest, und er reißt die Hälfte ab. Besonders gut geht es, wenn man die Hand, mit der man den Fahrschein hält, gegenläufig zur Reißrichtung des Fahrers dreht – das ist dann schon richtig professionell. Die Busse fahren in einem engen Takt, Leuchttafeln zeigen an, wann der nächste kommt. Oder man scannt einfach einen QR-Code an der Haltestelle. Man sollte sich zwei, drei Tage Zeit nehmen für dieses Heraklion mit seinen Sehenswürdigkeiten, seinen Tavernen, seinen interessanten Geschäften, seinen in der Innenstadt auffällig gepflegten Straßen, seiner malerischen Kulisse am alten Hafen und der sehnsuchtsvollen Atmosphäre der großen Fähren am neuen Port, die Kreta mit Griechenland verbinden. Eine Stadt mit Gegensätzen - und mit viel besonderem Flair.
von Michael Meinert 09 Jan., 2024
In Mirtos steht eine kleine Kirche, einen Steinwurf vom Strand entfernt. Ein hübsches Steingebäude, idyllisch gelegen, dem Heiligen Antonios geweiht. Umgeben von einem kleinen Platz, umrahmt von Bäumen. Hier wurden am 15. September 1943 18 Männer aus dem Dorf von deutschen Soldaten erschossen. Eine Steintafel mit ihren Namen erinnert daran. Das Mahnmal an der Hinrichtungsstätte in Mirtos ist nicht das einzige. Unter anderem auch in den benachbarten Bergdörfern Gdochia und Mournies sind Gedenktafeln angebracht, auch hier wurden Menschen in jenen Tagen ermordet, die Ortschaften verwüstet – weil die Kreter den Nazis, die die Insel besetzt hatten, Widerstand leisteten. Das Drama fing an mit der Invasion Kretas durch deutsche Fallschirmtruppen am 20. Mai 1941 bei Maleme im Nordwesten. Ziel war es, den dortigen Militärflugplatz einzunehmen. Auch bei Rethymnon und Heraklion sprangen Soldaten ab. Kreta wehrt sich Das griechische Festland war bereits besetzt, auf Kreta hielten sich britische, australische und neuseeländische Streitkräfte auf, auch griechische Einheiten. Die Deutschen hatten nicht mit dem heftigen Widerstand der Truppen und auch der kretischen Bevölkerung gerechnet. Es dauerte zehn Tage, bis Kreta erobert war. Mehrere tausend Menschen wurden getötet. Darunter mehr als 3300 der deutschen Fallschirmjäger, meist sehr junge Männer. Sie sind heute auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Maleme begraben, insgesamt liegen hier fast 4500 deutsche Soldaten. Der Soldatenfriedhof der Alliierten, der Souda Bay War Cemetery, wurde bei Souda unweit von Chania angelegt. Hier sind mehr als 1500 Gefallene beerdigt. Die Überlebenden der alliierten Truppen wurden von Hora Sfakion aus evakuiert. Der Widerstand der kretischen Bevölkerung aber dauerte an – und wurde mit grausamen Vergeltungsmaßnahmen beantwortet. Zahlreiche Menschen wurden erschossen, Dörfer zerstört. Eines der schlimmsten Massaker fand in jenem September 1943 bei Ano Vianos statt. Nachdem deutsche Soldaten von Rebellen angegriffen worden waren, wurden mehr als 440 Männer exekutiert. Auch in der Umgebung – bis hin nach Mirtos - gab es Hinrichtungen. Gedenkstätte Ano Vianos Zahlreiche Mahnmale erinnern an die Verbrechen. Eine große Gedenkstätte wurde bei Ano Vianos errichtet, am Rande des Dorfes Amiras, wo die Straße nach Arvi abzweigt. Elf Steintafeln mit den Namen der Opfer, eine große Stele mit der Skulptur eines zusammengesunkenen Menschen. Insgesamt, so berichten historische Quellen, haben die deutschen Truppen in den Kriegsjahren auf Kreta 3474 Menschen exekutiert, 40 Ortschaften zerstört. Wir sollten all das nicht vergessen.
von Michael Meinert 01 Jan., 2024
Es geht auch anders: ohne Knallerei schon am Nachmittag, ohne Raketen um Mitternacht, ohne Getümmel auf den Straßen mit all seinen negativen Begleiterscheinungen. Silvester in Mirtos ist auf den ersten Blick eine ziemlich ruhige Angelegenheit. Aber das macht überhaupt nichts. Man trifft sich eben und feiert, so wie man es auch bei anderen Gelegenheiten tut. Zurzeit hat nur eine Taverne offen, „To Filotimo“ am Ortsrand, und hier kommt am Silvesterabend das halbe Dorf zusammen. Einheimische, die paar Wintergäste, die Leute aus Holland, Österreich, der Schweiz oder Deutschland, die es schon vor vielen vielen Jahren hierher verschlagen hat. Zuerst wird aufgetischt: Salat und Gemüse, Teigtaschen mit Käse, Ofenkartoffeln, Lamm, Schwein, Geflügel, Wein und Raki. Dann, wenn alle satt sind, kommen drei Musiker auf die provisorische Bühne: Mit Gitarre, zwei Lauten und Gesang tragen sie die oft schwermütig klingenden griechischen Lieder vor, die hier jeder kennt. Es wird mitgesungen, es wird getanzt, es wird gefeiert. Um Mitternacht eine kurze Unterbrechung, man stößt an, umarmt sich, wünscht sich „kali chronia“ oder „chronia polla“, ein gutes neues Jahr, feiert weiter. Ohne Feuerwerk, ohne Böller. Offenbar gibt es hier nicht so viele Dämonen, die vertrieben werden sollen. Dafür wird der traditionelle Neujahrskuchen (Vasilopita) angeschnitten und an die Gäste verteilt. Ursprünglich enthielt der eine Münze, und wer sie in seinem Stück hatte, sollte in Neuen Jahr besonders viel Glück haben. Nun, dann hoffen wir mal das Beste – mit oder ohne Münze.
von Michael Meinert 20 Dez., 2023
Kurz vor Weihnachten. Strahlend blauer Himmel, ein paar weiße Wölkchen am Horizont. Sonne ohne Ende, 20 Grad und mehr. Sechs Wochen sind wir jetzt schon hier in Mirtos, in unserem zweiten Winter. Zwölf Wochen bleiben noch - Zeit für eine Zwischenbilanz. Am Morgen, als erstes, der Blick aufs Libysche Meer, das sich unter unserem Apartment erstreckt. Frühstück auf dem Balkon, in der Sonne, ein Urlaubstraum. Wir haben nicht lange gebraucht, uns hier wieder wohl und heimisch zu fühlen – und zu merken, dass es ja kein wirklicher Urlaub ist. Vieles ist großartig, klar, aber ich sehe doch manches etwas nüchterner als im vergangenen Winter. Realistischer vielleicht. Ein Kreter sagte mir mal: Weißt du, ich bin hier geboren, mein Leben lang sehe ich das Meer. Das ist nichts Besonderes. Mal richtig Schnee, in den Alpen, das fände ich spannend. Dem nüchterneren Blick fällt so dies und jenes auf. Zum Beispiel der Müll, der öfters in der Landschaft rumfliegt. Ich habe das Gefühl, dass das Problem zunimmt. Oder der Dreck rund um die großen Tonnen, in die man seinen Abfall wirft. Störend ist dies besonders dort, wo sich die Abfallhaufen vor einer großartigen Landschaftsszenerie türmen. Es ist unästhetisch, unnötig. Und gefährlich: Irgendwann landet einiges davon im Meer. Auch die Fische leiden darunter. Die Behörden scheint es nicht zu interessieren. Andererseits: Die Innenstadt von Heraklion beispielsweise ist blitzsauber. Den ganzen Tag laufen Mitarbeiter (und wirklich auch Mitarbeiterinnen) herum und kehren, kleine Müllautos sind unterwegs und fahren das aufgesammelte Zeug ab. Da können sich deutsche Städte eine Scheibe abschneiden. Ein auffälliger Unterschied zu Deutschland ist auch, wie der Straßenverkehr hier auf Kreta abläuft. Auf den ersten Blick chaotisch, oft erinnert es mich an das Treiben auf einem Autoscooter-Parcours auf dem Jahrmarkt. Aber: Alle, fast alle, sind rücksichtsvoll, rechnen mit diesem und jenem. Und wenn jemand einen Fehler macht, gibt es kein Gehupe und Geschimpfe. Man nimmt es gelassen hin – und gut ist’s. Es ist ebenfalls kein Problem, irgendwo zu parken, auch wenn es vielleicht mal nicht so ganz regelkonform ist. In der Regel kosten auch die offiziellen Parkplätze nichts oder ganz wenig. Das schätzt man, wenn man deutsche Städte kennt. Leben und leben lassen – diese angenehme (und eigentlich selbstverständliche) Einstellung ist hier auf Kreta noch nicht in Vergessenheit geraten. Da wundert es auch nicht, dass in der Gastronomie so manches anders ist. Kostenloses Wasser ist meist eine Selbstverständlichkeit, oft bekommt man eine kleine kostenlose Vorspeise, nachher ein bisschen Dessert und einen Raki. Gastfreundschaft wird großgeschrieben. Ausnahmen bestätigen die Regel. Natürlich ist das gastronomische Angebot jetzt im Winter begrenzt und etwas eintönig. Daher kochen wir oft in unserem Apartment, manchmal auch richtig deutsch. Gulasch (vom hiesigen Metzger) und Semmelknödel (von zuhause mitgebracht), das ist schon was. Und Rosenkohl gibt es auch manchmal. Es kann eben nicht immer Feta sein. Wir leben hier unseren Alltag, kommen weg vom Touristendasein, aber wir machen uns keine Illusionen: Wir werden hier immer Gäste sein. Das sagen auch Freunde, die schon 20 oder 30 Jahre hier leben. Auch wenn sie natürlich gut Griechisch sprechen. Da sind wir noch weit von entfernt. Klar, wir versuchen es zu lernen, das Leben wird einfacher dadurch, das Bemühen allein wird schon anerkannt. Ich finde, dass das Lernen der Sprache ein Ausdruck von Wertschätzung seinem Gastland gegenüber ist. Aber, ganz ehrlich, Griechisch ist verdammt schwer. Man kennt Worte wie Telegraph, Akkustik, Philosophie, die natürlich aus dem Griechischen kommen, aber im Alltag nutzt das eher wenig. Die Grammatik ist nicht die einfachste, und lange Wörter wie „chrisimopoio“ (benutzen) oder „savvatokyriako“ (Wochenende) machen es auch nicht leichter. Oder Hürden wie die fünf Möglichkeiten, den Vokal „i“ zu schreiben. Kein Wunder, dass Englisch, dessen Basisversion man schnell drin hat, die wichtigste Weltsprache ist. Aber Deutsch soll ja auch nicht so einfach sein.
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